Dies und Das...

…und hier macht man Wolle?

Ja, das fragt man sich. Nachdem ich letzte Woche mit einer lieben Bekannten als „spinnende Wikingerfrau“ am Sommerfest des Kindergartens teilnehmen durfte, konnten wir feststellen, dass es doch noch etwas Aufklärungsbedarf gibt bezüglich der Wolle, ihrer Herkunft und Verarbeitung.
Beeindruckend fand ich den Erklärungsansatz eines wohl etwas übermotivierten Vaters, als er auf mein Körbchen mit handgesponnenem Garn zeigte, mit der Aussage „Das ist die Wolle..“, dann mit dem Finger auf meinem Vorrat an verschiedenen Wollvliesen hängen blieb und meinte, „und das ist das Endprodukt.“. Leider war ich gerade etwas abgelenkt, denn auf seine weiteren Ausführungen wäre ich wirklich neugierig gewesen…

Solche Missverständnisse können auftreten – wie sich herausstellte, nicht nur bei den Kindern… -, wenn umgangssprachlich der Begriff „Wolle“ nicht nur für die Faser, sondern auch das fertige Garn bzw. Garnknäuel verwendet wird.

Herkunft der Wolle

Man würde trotzdem annehmen, dass es sich herumgesprochen hat, dass die Schafe unsere lieben, genügsamen Wolllieferanten sind und nicht anders herum. Es war ein sehr warmer sonniger Nachmittag, da kann man im Eifer des Gefechtes schon mal etwas durcheinander kommen…

Nur noch einmal kurz zur Auffrischung: Die Wolle „verliert“ das Schaf bei der Schur, die in der Regel ein bis zwei Mal pro Jahr statt findet. Die abgeschnittenen Schafsvliese werden dann gemustert und besonders verunreinigte oder in ihrer Qualität mangelhafte Stellen werden aussortiert. Danach wird es gewaschen und weiter aufbereitet, sodaß die Wollfasern zu Garn versponnen werden können.

Eng damit verbunden, machten sich die Kinder Gedanken über das Schafwohl allgemein. Am häufigsten stellten sie allerdings die Frage „Tut das den Schafen weh, wenn sie ihre Wolle verlieren?“ Ich würde mal sagen: „Nicht schmerzhafter als ein Frisörbesuch bei uns.“ Wobei „verlieren“ eigentlich ganz treffend sein kann, denn die Urschafe hatten noch wesentlich weniger Wolle am Leib als heute. Letztere konnten sie, sobald es wärmer wurde, einfach an Büschen, Bäumen, Zäunen oder ähnlichem los werden, indem sie sie einfach abstreiften oder rupften. Erst später, als der Mensch das Material „Wolle“ besser kennen und schätzen lernte und Schafe gezielt auf ihren Wollertrag hin gezüchtet wurden, mussten die Tiere dann geschoren werden, damit sie sich in der warmen Jahreszeit wohl fühlten. Allerdings gibt es auch heute noch Schafe, die nicht geschoren werden müssen, wie das Kamerunschaf und andere sog. Nolana-Schafe.

Wollverarbeitung – die Sache mit Dornröschen und der Spindel

Ja, und dann war da noch die große Frage, wie das „damals“ mit dem Dornröschen war… Warum, und vor allen Dingen, wie konnte es sich an einer Spindel stechen? Oder war es überhaupt eine Spindel, die Dornröschen in einen 100jährigen Schlaf fallen ließ?!?? Darüber haben sich nun nicht nur die Kinder Gedanken gemacht, sondern diese Frage führte auch zu einigen Diskussionen unter Erwachsenen v.a. „Spinnern“ – im und außerhalb des Internets. Wirklich spannend, über was man sich so Gedanken machen kann. Neugierig geworden, habe ich auch etwas recherchiert.

Warum sticht sich Dornröschen ausgerechnet an einer Spindel?

Für mich ist die Erklärung am plausibelsten, wonach die Spindel gerne als Symbol für weise Frauen und Hexen hergenommen wurde und als Attribut der Weberinnen des Schicksals gesehen wurde (Symbolik). Sehr passend, wenn man bedenkt, dass die Spindel mit einem Fluch belegt war, der unausweichlich Dornröschens Schicksal bestimmen sollte. Aber vielleicht wählte man gerade eine Spindel, um zu betonen, dass die Königstochter zur Oberschicht gehört und mit der bäuerlichen Tätigkeit des „Spinnens“ nicht vertraut war.
Am Rande sei bemerkt, dass dieser Stich mit einer Spindel auch ganz andere Interpretationen zulässt, die man überblicksweise hier oder in einer tiefenpsychologischen Variante hier nachlesen kann.

Wie kann Dornröschen sich an einer Spindel stechen?

Dies ist eine Frage, die vor allem Personen beschäftigt, die das Handwerk des Spinnens ausüben. Denn eine Spindel kann zwar ziemlich spitz sein, aber so spitz, dass, man sich daran verletzen kann?!??

Aus dieser Unsicherheit heraus blieben manche Erklärungsansätze an der im Märchen „flachsspinnenden Alten“ hängen. Die Gewinnung der Flachsfasern ist ein langwieriger schweißtreibender Prozeß. Der Bast muß von den holzigen Teilen der Stängel getrennt werden. Je nachdem, wie sorgsam hier gearbeitet wurde, findet sich noch das ein oder andere verholzte Teilchen zwischen den Fasern, die versponnen werden. Deshalb wäre ja rein theoretisch möglich, dass der Stich ein eingezogener „Holzsprissel“ sein könnte und somit garnicht die Spindel verantwortlich für das Schicksal des Dornröschens wäre.
Bei genauerem Lesen der Textstellen muss man allerdings feststellen, daß doch gerade die Spindel der zentrale Teil der Prophezeiung ist.

Also zurück zur Spindel. An alle, die sich vielleicht aus Angst vor Verletzung noch nicht getraut haben, eine Spindel in die Hand zu nehmen. Ich meine, behaupten zu können, dass, egal um welche Art von Handspindel es sich handelt, dies nicht möglich ist.
Durch Spindeln werden kleine Mengen von Fasern in sich verdreht, sodass ein reißfester Faden entstehen kann. Wahrscheinlich wird im Märchen auf eine Fallspindel angespielt, die sich beim Spinnen kreiselnd von der Hand des Spinnenden Richtung Boden bewegt. Deshalb springt das „Ding“ auch so lustig herum. Es könnte sich, wegen des vermeintlicherweise sehr spitzen Endes, auch um eine supported Spindel handeln, die sich auf einem Untersatz bzw. dem Boden dreht. Die Spitze sorgt dafür, dass die Spindel sich gleichmäßiger und einfacher drehen kann. Die Spitzen oder ganze Spindelstäbe können aus Metall gearbeitet sein, womit man sich vielleicht auch noch leichter stechen könnte.

Schaut man sich allerdings die Märchentexte genauer an, kann man feststellen, dass nicht der Stich, sprich die Verletzung, maßgeblich für den angekündigten 100jährigen Schlaf ist, sondern mit dem Berühren der Spindel geht der Zauberspruch in Erfüllung und Dornröschen sticht sich daraufhin mit der Spindel.
Der Fluch – also Zauberei – könnte des Rätsels Lösung sein und damit wäre die „gemeine“ Handspindel rehabilitiert!

Zur Verdeutlichung-Textauszüge aus verschiedenen Dornröschenfassungen

…“da sprang die Thüre auf und sie war in einem kleinen Stübchen, darin saß eine alte Frau und spann ihren Flachs. Die alte Frau gefiel ihr wohl, und sie machte Scherz mit ihr und sagte, sie wollte auch einmal spinnen, und nahm ihr die Spindel aus der Hand. Kaum aber hatte sie die Spindel angerührt, so stach sie sich damit, und alsbald fiel sie nieder in einen tiefen Schlaf. (ursprüngliche Fassung von 1812)

…“sprang die Thüre auf und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau und spann emsig ihren Flachs. »Ei du altes Mütterchen, sprach die Königstochter, was machst du da?« »Ich spinne« sagte die Alte und nickte mit dem Kopf.« »Wie das Ding herumspringt!« sprach das Fräulein und nahm die Spindel und wollte auch spinnen. Kaum hatte sie die Spindel angerührt, so ging die Verwünschung des Zauberweibes in Erfüllung und sie stach sich damit. Fassung von 1819

..“sprang die Thüre auf, und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau, und spann emsig ihren Flachs. »Ei du altes Mütterchen,« sprach die Königstochter, »was machst du da?« »Ich spinne,« sagte die Alte, und nickte mit dem Kopf. »Wie das Ding so lustig herumspringt!« sprach das Mädchen, nahm die Spindel, und wollte auch spinnen. Kaum hatte sie aber die Spindel angerührt, so gieng der Zauberspruch in Erfüllung, und sie stach sich damit. Fassung von 1840

… „Es stieg die enge Wendeltreppe hinauf, und gelangte zu einer kleinen Thüre. In dem Schloß steckte ein verrosteter Schlüssel, und als es umdrehte, sprang die Thüre auf, und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau mit einer Spindel und spann emsig ihren Flachs. »Guten Tag, du altes Mütterchen,« sprach die Königstochter, »was machst du da?« »Ich spinne,« sagte die Alte und nickte mit dem Kopf. »Was ist das für ein Ding, das so lustig herumspringt?« sprach das Mädchen, nahm die Spindel und wollte auch spinnen. Kaum hatte sie aber die Spindel angerührt, so gieng der Zauberspruch in Erfüllung, und sie stach sich damit in den Finger. In dem Augenblick aber, wo sie den Stich empfand, fiel sie auf das Bett nieder, das da stand, und lag in einem tiefen Schlaf.“ Letzte Fassung von 1857

Spinnen, Spindel .. – Spinnrad?!??

Was alle Fassungen gemein haben, ist, dass der König immer alle Spindeln im ganzen Königreich verbieten ließ und sich die Königstochter immer durch eine Spindel in Schlaf versetzt wird. Wie kommt nun das Spinnrad ins Spiel? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Spindel und Spinnrad? Ist eine Spindel Teil eines Spinnrades?

In manchen Vorstufen des modernen Spinnrades wurden tatsächlich Spindeln über handgesteuerte Räder angetrieben, was man sich beispielsweise hier anschauen kann. Dieses System wurde anschließend abgelöst durch Spinnräder bei denen die Spindel, sozusagen, durch Spule und Flügel ersetzt wurde. Allerdings passt das frühere Modell nicht zu den Beschreibungen des Spinnablaufs im Märchen und die Spindel verleitet hier auch nicht zum Anfassen… Die modernere Radvariante hat keine Spindel und scheidet somit ganz aus.

Warum tauchen dann aber immer wieder Illustrationen des Märchens mit Spinnrädern auf?

Wahrscheinlich liegt es mit daran, dass das Spinnen am Rad das Arbeiten mit der Handspindel langsam abgelöst und sich damit das Spinnrad an sich zum Symbol für das Spinnhandwerk entwickelt hat.

Vielleicht hat auch die Dornröschenfassung von L. Bechstein, 1847) zur Popularität des Spinnrads beigetragen. Dort steht: …“Der König ließ sogleich ein Regierungsmandat im ganzen Land ergehen, kraft dessen alle Spindeln überall abgeschafft, und dafür die Spinnräder eingeführt wurden,…“ Allerdings wird auch in dieser Fassung ganz klar dargelegt, woran sich das Dornröschen gestochen hat: „Da saß ein uraltes Spinneweiblein und spann ämsig mit einer Spindel; es mochte wohl des Königs Gesetz nicht gehört oder gelesen, oder auch es längst vergessen haben. Die umhertanzende, auf und nieder wirbelnde Spindel aber machte der jungen Königstochter viele Freude, sie haschte nach der Spindel, wollte auch spinnen und stach sich damit, denn es war gerade der Tag, an welchem die Prophezeihung der erzürnten weisen Frau in Erfüllung gehen sollte. Und die Königstochter fiel nieder und in einen tiefen Schlaf.“ Allerdings hat es auch in dieser Version nur eine untergeordnete Rolle und die Spindel bleibt zentrales Objekt.

Googelt man „Dornröschen Bilder“ oder browst man durch die Webseite des Märchenmuseums bekommt man einen guten Eindruck verschiedenster Abbildungen des Märchens „Dornröschen“, ob Briefmarke, Plattencover, Theater- und Filmpräsentationen, Postkarten oder Buchillustrationen durch die Zeit. Ich denke, es ist der künstlerischen Freiheit geschuldet, ob nun eine Darstellung mit Spindel oder Spinnrad gewählt wird.

Abschließende Gedanken

Nachdem ich mich nun auch dieser Frage ernsthaft gestellt habe: ob Sprissel, Spindel, Fluch oder Spinnrad verantwortlich ist für Dornröschens 100jährigen Schlaf – ganz ehrlich, ist das denn so wichtig? Letztendlich ist es doch ein Märchen und noch dazu eines, welches Kinder und Erwachsene über Generationen begleitet und gefesselt hat. Und, wieviele von uns sind im Kindergarten im Kreis gesessen, lauthals singend: „Dornröschen war ein schönes Kind, schönes Kind, schönes Kind….“ Hier noch eine treffende abschließende Anmerkung einer zu dieser Sache befragten KI: „Es ist wichtig zu beachten, dass dies eine fiktive Geschichte ist und nicht auf realen Gegebenheiten basiert.“

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