Stricken und Häkeln,  Werkeleien

„Mochila Wayuu“ – was versteckt sich dahinter?

„…mit den Restgarnen kann man kleine Körbchen oder, wenn es etwas größere Mengen sind, eine Mochila Wayuu häkeln..“ – da stand ich auf dem Schlauch. Was um Himmels Willen war eine „Mochila Wayuu“?! Klar war erstmal, dass damit wohl eine bestimmte Häkeltechnik verbunden war. Den Rest musste eine längere Reise durch das Netz klären.

„Mochila“ – spanisches Wort für…

… alle Arten von Taschen. Der Bedeutungsinhalt reicht vom kleinsten Beutelchen bis hin zum Rucksack und beinhaltet z.B. auch einen klassischen Schulranzen.

Wayuu – lateinamerikanische indigene Lebensgemeinschaft

Die Wayuu werden als „Menschen der Sonne, des Sandes und des Windes“ beschrieben, was schon einmal klare Anhaltspunkte für Ihre Heimat gibt. Sie leben im wüstenähnlichen Gebiet „La Guajira“ im Nordosten der kolumbianischen Karibikküste, teilweise grenzübergreifend zu Venezuela. Dieses Land wurde ihnen von den Göttern in einem Traum anbestimmt. Diese, von den Arawak abstammende, indigene Lebensgemeinschaft versucht bis heute, ihre eigenen traditionellen Regeln des Zusammenlebens zu wahren. Die Hauptstadt der Wayuu Kultur ist Wayuu Uribia.

Die Wayuu leben in ihren typischen Hütten, den Rancherias, in einem Verbund von ca. 5-6 Familien. Hervorzuheben ist hierbei, dass in dieser Gesellschaft die einzelnen Familienlinien von der Frau abgeleitet werden. Ihre Bedeutung spiegelt sich klar in der Aufgabenverteilung wider. Während die Männer mit der Versorgung der Tiere und der Landwirtschaft betraut sind, sind die Frauen für alle Familienbelange zuständig. Unterstützung im Alltag bekommen sie vom ältesten Bruder, der eine besondere Rolle in dieser Lebensgemeinschaft übernimmt.

Auf ihre besondere Verantwortung werden die jungen Frauen in traditioneller Weise vorbereitet, u.a. auch durch die Einweisung in die Technik des Webens und des Häkelns. Planung und Durchführung derartiger Projekte schult logisch-technisches Denken, sowie Reflexion, Konzentration, Geduld und soziale Kommunikation und Akzeptanz im Austausch mit den „Lehrenden“ und später dann mit allen Frauen der Gemeinschaft.

Wer etwas mehr über die Wayuu, Kolumbien und seine Bevölkerung erfahren möchte, von jemandem, dem dieses Land und seine Leute am Herzen liegen, kann mal hier vorbeischauen…

Mochila Wayuu – der Ursprung

Dem Mythos zu Folge ist die Entstehung der ersten Mochila Wayuu verknüpft mit der Geschichte des Waisenmädchens Wolonka, der „Spinnenfrau“. Von einem Mann aus der Not gerettet, hat sie ein hartes Los in seiner Familie zu tragen. Sie trotzt ihrem harten Schicksal mit Hilfe der Götter, die eines Nachts „wunderbar leuchtende Fäden aus ihrem Mund schweben lassen“. Um das Herz ihres Retters zu erobern, beginnt sie daraus eine Tasche zu fertigen… die erste Mochila Wayuu..

Technik, erster Einblick und eigene Interpretation

Nach einem ersten Einblick in den Aufbau einer Mochila Wayuu und die verwendete Häkeltechnik, zupfte es mich in den Fingern und ich habe, angelehnt an meine gewonnenen Einsichten, einfach angefangen zu häkeln. Die Idee war, ein nutzvolles Probestück zu arbeiten – eine weihnachtliche Geschenkverpackung. Schnell fand ich zwei handgesponnene einfädige Garnreste, die hierfür verwertet werden wollten. Und los ging’s.

Im Prinzip ist alles ganz einfach. Es wird als Grundlage ein Kreis gehäkelt – mit den entsprechenden Zunahmen. Letztere werden beendet, wenn der Boden den gewünschten Umfang hat. Danach wird einfach spiralförmig der Taschenrand nach oben gehäkelt. Bei gewünschter Höhe werden Durchzugslöcher für die Kordel und ein paar Reihen später ein Abschlußrand nach Wahl gearbeitet.

Einzige Besonderheit – es werden alle verwendeten Fäden eingehäkelt. Man hat einen Arbeitsfaden – in meinem Fall ein Faden in grau (man könnte ihn auch doppelt nehmen) und der oder die Musterfäden – bei mir ein naturfabener Faden – werden mitgeführt. Je mehr Fäden mitgeführt werden, desto höher und voluminöser wird die einzelne Masche. Dadurch ergibt sich eine hohe Festigkeit und vor allem die unvergleichliche Optik, die, wie ich denke, eine klassische Mochila Wayuu ausmacht.

Dieses Sternenmuster habe für den Boden der Tasche gewählt. Es wurde in der Runde gehäkelt.
Für die Vorderseite wählte ich diesen stilisierten Weihnachtsbaum. Als Kordel strickte ich einen I-Cord.

Hinzu kommt, dass der Taschenriemen traditionell gewebt wird, was ihn besonders fest macht, damit er sich nicht verzieht und immer länger wird mit zunehmendem Gewicht des Tascheninhalts. Er kann aber auch gehäkelt werden. Ich habe ihn allerdings gleich weggelassen, weil er mir als Geschenkverpackung nicht unbedingt erforderlich schien.

Habe ich nun wirklich eine“Mochila Wayuu“ gehandarbeitet?

Während meiner Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte der Mochila Wayuu, die natürlich eng verbunden ist mit der Entwicklung des Stammes der Wayuu bis hin zur heutigen Zeit, kamen mir so manche Gedanken. Was übrigens nicht verwundert, denn so ein Häkelprojekt ist nicht einfach mal schnell gearbeitet. Die Wayuu selber geben einen Zeitraum von 20-25 Tage an – und wie ich vermute, sind das einige Stunden amTag!

Eine Sache, die mich immer wieder beschäftigt hat, ist die Frage, ob es nicht anmaßend ist, unsere gefertigten Häkelbeutel einfach nach dieser Lebensgemeinschaft zu benennen, die all ihr Stammeswissen und ihre täglichen Erfahrungen in ihre vielfältigen Muster und Taschen einarbeiten und insbesondere mit ihrer Fertigung einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt ihrer Gemeinschaft leisten. Das mag erst einmal trivial klingen, doch wenn man sieht, wie viele Anbieter mit der „Mochila Wayuu“ ihr Geld machen, stellt sich die Frage, in wieweit das dem Volk der Wayuu zu Gute kommt. Soweit ich weiß ist der Begriff nicht patentrechtlich geschützt. Na ja, da liegt es wohl mal wieder in der Hand der Konsumenten…

Oder sollte man die Dinge so ähnlich betrachten, wie das „Tempo-Taschentuch“ als Sammelbegriff für alle Arten von Papiertaschentüchern?!?? „Mochila Wayuu“ sozusagen als Inbegriff aller Häkelbeutel, die in einer bestimmten Technik gefertigt wurden und dem Aussehen nach einer von einer Wayuu in traditioneller Weise gehäkelten Tasche entsprechen. In dem Fall, könnte ich ja dann von meiner Geschenkverpackung als „Mochila Wayuu“ sprechen und nicht als „Hälkelbeutel à la Wollzimmer“…

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